Tag 127, 20.09.23
Sturm aussitzen

Mel:
Noch am gestrigen Abend haben wir ein Update des Wetterberichtes erhalten. Es wird heute Windspitzen bis zu 60km/h geben und über längere Zeitspannen schneien. Die Temperatur wird 1 Grad betragen, jedoch aufgrund des kalten Nordwindes gefühlt -11 Grad sein.
Bereits in Kilpisjärvi hat sich das angekündigt. Daher sind wir gestern die 30 Kilometer bis hierher gelaufen. Auch beim Einkauf hatten wir einen Tag mehr eingerechnet.
Der Beschluss, aufgrund der Wetterkonditionen einen Tag auszusitzen, ist daher gestern schnell gefallen. Es macht bei diesen Konditionen keinen Sinn. Wie Sandra sagt: „We have to be smart“.
Als ich aufwache, ist das erste woran ich denke: „Kein Wecker heute…“ und „Es ist kühl ich will Feuer machen.“ Also stehe ich auf und schaue gespannt aus dem Fenster. Es ist etwas weiss geworden draussen. Der Wind ist jedoch noch nicht so stark. Das nütze ich aus und mache die ersten Schritte nach draussen. Könnte man nicht doch laufen? Sandra, die auch bereits wach ist, hat auch diese Gedanken. Vielleicht könnten wir bis zur nächsten Hütte laufen, welche nur 10 Kilometer entfernt ist… Nachdem Anja auch aufgestanden ist, besprechen wir nochmal beim gemeinsamen Frühstück was wir heute nun machen: Aussitzen? Etwas laufen oder trotzdem die gesamten 24 Kilometer bis zur Somashytta gehen?
Die Entscheidung fällt nach erneutem Wetterupdate klar aus: aussitzen. Für unser Gefühl ist gut, dass es auch kurz nach dem Frühstück stärker beginnt zu winden. Kurz vor dem Mittag beginnt es auch stark zu schneien. Es ist faszinierend zu beobachten, wie der Schnee beinahe waagrecht am Fenster vorbeizieht.
Wir verbringen die Zeit mit herumliegen, lesen, Filme schauen, schlafen und essen. Dabei müssen wir jedoch beachten, dass wir uns an unsere Tagesrationen halten. Unkontrolliertes Schlemmen ist also nicht erlaubt. Da ich den ganzen Tag essen könnte, versuche ich mich mit allem Möglichen abzulenken. Ich versuche am Nachmittag sogar zu schlafen, was ich, im Gegensatz zu Anja und Sandra, untertags sonst gar nicht tue. Naja, schlafen kann ich dann doch nicht, aber ein bisschen dösen geht.
Um es auch warm zu haben, schaue ich den ganzen Tag zum Feuer. Am Nachmittag beschäftige ich mich mit ein wenig Holzhacken. Das Beil, das einen Metallstiel hat (also eisig kalt in diesen Temperaturen), ist zwar gut, weil ich das Eigengewicht zum spalten des Holzes brauchen kann, jedoch ist die Axt etwas stumpf, was die Arbeit nicht einfacher gestaltet. Ich denke fest an meinen Vater, der mir vor der Reise gezeigt hat, wie ich Kleinholz machen kann. Leider fehlt mir aber das grosse Messer, das wir damals benutzt hatten, um die Technik die er als Alternative gezeigt hat, anzuwenden (Ich arbeite ungern mit einer Axt). Trotzdem gelingt es mir, eine gute Menge Holz für das Anfeuern morgen in der Früh vorzubereiten.
Um die Mittagszeit bis in den Nachmittag erhalten wir ein paar Besuche von Tagesgästen, die bei uns in der warmen Hütte zu Mittag essen. Einige sind sehr gesprächig , andere eher verschlossen. Genauso unterschiedlich sind sie auch im Verhalten. Üblich ist es, dass wenn man in einer Hütte einkehrt, dass man auch was dafür tut. Drei grimmige Finnen fallen uns etwas negativ auf. Sie riechen stark, füllen all ihre Wasserflaschen, ohne neues Wasser nach zu holen und hinterlassen die Hütte wahnsinnig dreckig.
Mit unseren neuen Bekanntschaften, den zwei Finninnen, die wir gestern kennengelernt hatten, verstehen wir uns wunderbar. Während wir morgens etwas „UNO“ miteinander spielen, werden wir abends noch zu Pfannkuchen eingeladen. Wiedermal eine Bekanntschaft / Begegnung die unsere Reise bereichert.
Bei allem ausruhen und Wetter beobachten unterhalten wir uns immer wieder über das Nabar und die kommenden Tage. Während ich mich einfach nur freue und ganz stark hoffe, dass wir dieses letzte Wildnissabenteuer erleben können, sind die beiden anderen sowohl zuversichtlich-freudig aber auch etwas angespannt. Die Harmonie unter uns erstaunt mich immer wieder. Die Dreierkonstellation funktioniert enorm gut. Oft sind wir uns über Besprochenes einig. Wenn nicht, wird jede angehört und die Erwartungen, Bedürfnisse und Wünsche von allen werden mit in Entscheidungen einbezogen. Mal wieder bestätigt sich; Kommunikation ist der Schlüssel.
Comments