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AutorenbildTravis, Anja & Mel Schwendemann & Schönbächler

Tag 95, 19.08.23

Höhenmeter

Mel:

Es ist so eine Sache mit dem bergaufwärts gehen… Wie bereits beschrieben, ist dies nicht meine liebste Beschäftigung. Zu Beginn der Reise hatte ich mit jedem Aufstieg zu kämpfen. Man darf natürlich nicht vergessen das der Rucksack, sei er noch so „leicht“, einen grossen Einfluss auf das Gehen ausübt.


Schon bei meinen Touren zuhause habe ich gemerkt, dass ich am Besten mit den Höhenmeter umgehen kann, wenn ich genau weiss was auf mich zukommt. Daher habe ich schon immer vor einer Tour die Karte genau studiert und den Verlauf der Route analysiert, um anhand der Höhenlinien zu wissen was kommt. Hier in Norwegen versuche auch das zu machen. Meist gelingt mir das aber nicht sehr gut. Manchmal kommt es mir vor, als ob die auf ihren Karten eine feinere Abstufung bräuchten. 10 Höhenmeter von einer zur nächsten Linie reicht wohl nicht. Denn hier im Fjell geht es ständig auf und ab, obwohl sich dies auf der Karte nicht zeigt.


Das Ergebnis ist, dass meine Erwartung nicht mit dem übereinstimmt was ist. Und das wiederum bedeutet, dass je mehr das vorkommt umso schwieriger sind solche Aufstiege dann für mich. Da dies also nicht funktioniert, habe ich begonnen mich selber zu überlisten. Dafür sage ich mir selber immer, dass es heute sehr anstrengend wird und erhöhe die berechneten zu gehenden Höhenmeter einfach grosszügig.


Heute müssen wir auf gut 24 Kilometer 700 Höhenmeter bewältigen. Ich erhöhe also in meinem Kopf auf 800 Meter und denke, jetzt wird’s hart. Dabei ist mir bewusst, dass es die ersten acht Kilometer praktisch nur bergaufwärts geht.


Bei diesen Höhenanstiegen ist Freud und Anstrengung sehr nahe. Für mich sind es Belohnungen, wenn ich aufgrund der gewonnenen Höhe neue Ausblicke erhalte. Heute sind diese einzigartig. Dies bereitet mir Freude und trotzdem kostet es mich viel Kraft bergauf zu gehen. Jedesmal wenn man denkt, man sei nun zuoberst, kommt da noch ein Kamm. Oder man sieht, dass man als nächstes in einen Taleinschnitt, zu einem Bach o.ä. absteigt, nur um dann gleich auf der anderen Seite noch höher als man bereits ist aufzusteigen.


Was ich heute sagen kann ist, dass ich doch sehr stolz auf mich, auf uns bin. Im Gegenzug zur Anfangszeit gelingen mir solche Aufstiege leichter. Und meine mentalen und körperlichen Kräfte sind gewachsen, was klar hilft die Höhenmeter zu bewältigen. So sind die 700 Meter echt gut bewältigt und ich konnte sogar die Natur und die sich ständig wechselnden Ausblicke geniessen.

Als die Hauptanstiege dann gemacht waren, durften wir über eine unglaubliche Hochebene laufen. Wie das ist, habe ich für euch mal auf dem Video festgehalten:

Nach der Hochebene laufen wir ein Stück Forststrasse, bevor uns ein Wanderweg die letzten Kilometer zur Bolnastua bringen. Auch dieser Abschnitt schenkt uns nichts, wir steigen in einige Flusstäler runter und wieder auf die Ebene hoch, nur um ganz zum Ende dann zur Strasse absteigen zu können.

Die Bolnastua liegt an der Hauptstrasse. In unserem Fall bedeutet das Internetverbindung, Strom und Wasser aus dem Wasserhahnen. Wir sind froh, denn als wir in der Bolnastua ankommen, sind wir alleine. Diese Gelegenheit lassen wir uns nicht entgehen, dann seit vier Tagen konnten wir uns nicht mehr richtig waschen. Wie schon in Gaundalen gibt es also heute für uns beide Haare waschen wie anno-dazumal. Das hat richtig gut getan und kaum ist die Prozedur abgeschlossen treffen auch schon andere Wanderer ein.

Julius ist ein Deutscher Wanderer, der seine einmonatige Pause zwischen zwei Anstellungen nutzt und hier wandert. Er ist uns auf Anhieb sehr zugetan und gibt uns auch gleich Tipps und Informationen über die Wege, Hütten und Einkaufsmöglichkeiten weiter. Er ist nämlich aus dem Norden gekommen und ist das bereits gelaufen, was wir die nächsten Tage gehen werden. Da sein Urlaub bald endet und seine Schuhe kaputt sind, werden wir morgen gemeinsam laufen, da er am Tagesziel von morgen den Zug nehmen kann.


Apropos morgen, das wird ein grosser Tag. Nicht nur weil es eine Königsetappe mit 33 Kilometer sein wird, sondern auch weil wir den Arctic Circle überschreiten werden und abends Martin zu uns stossen wird.

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