Tag 70, 25.07.23
Beerentraum
Mel:
Als wir am Morgen unser nächtliches Lager verlassen, mache ich noch ein Foto von der Hütte. Wie man sieht, scheint auch die Sonne bereits. Es ist 7.30 Uhr und wir starten in unseren langen Tag. Doch wie lange wird er nun sein? Unser Gaia-App sagt 29 Kilometer, der Wegweiser an der Hütte schreibt 31 Kilometer... mal schauen was das Garmin am Abend anzeigt.
Den ersten Teil der Strecke laufe ich mit grosser Panik. Mein Herz schlägt bis zum Hals und meine Atmung ist stark beschleunigt. Warum? Am Boden sind etliche Abdrücke von Kühen zu erkennen, zudem hört man in der Nähe das Glockengebimmel. Trotzdem dass ich diese Glocken klar auf der rechten Wegseite höre, gelingt es mir erst, die Angst ganz loszulassen, als die Spuren, sowie auch das Gebimmel nicht mehr sind.
Der Weg ist heute wieder mehrheitlich sumpfig, beinhaltet jedoch auch kurze Abschnitte auf Felsen. Also einfacher gehbar. Die Umgebung ist sehr schön und bei dem Wetter geniessen wir auch die Aussichten die sich uns bieten.
Kurz vor der Mittagspause kommt plötzlich aus dem Gebüsch ein Mann gelaufen. Er trägt einen grossen Kessel bei sich, den er bereits bis zur Hälfte mit Molte-Beeren gefüllt hat. Ich komme mit ihm ins Gespräch. Da erfahre ich, dass die Beeren, von denen ich dachte, die brauchen noch eine Woche Reifungszeit, eigentlich bereits reif sind! Man muss nur wissen, welches die Reifen sind. Also habe ich gerade vom Fachmann mitten im Fjell gelernt, welche Beeren die Besten sind. Was im Fjell so alles passiert und was man antrifft, es bleibt spannend. Beim Mittagessen erzähle ich Anja (sie war etwas weiter vorne) von der Begegnung. Danach gibt es kein Halten mehr. Bei jeder Gelegenheit, die sich bietet, nasche ich Beeren. Und sie sind echt lecker.
Unsere Wanderung führt uns weiter über den Wanderweg. Es braucht viel Konzentration, denn nur ein Schritt falsch gesetzt und die Wanderung kann vorbei sein. Die Steine sind rutschig, ebenso wie der Schlamm. Bei einer Gelegenheit versinke ich bis zu den Knien im Sumpf. Beim Herausziehen entwickelt sich dann ein Sog, was das Gefühl von Treibsand auslöst. Dennoch ist die Umgebung auch weiterhin wunderschön.
Das Ende des Wanderweges ist dann abrupt. Von einem zum anderen Moment stehen wir beinahe direkt auf einer Hauptstrasse. Der Wechsel zur Strasse bedeutet auch eine Veränderung im Wetter. Es beginnt zu regnen.
Die Strasse wollen wir schnell hinter uns bringen und gehen die letzten Kilometer im schnellen Schritt. Ein kurzer Wanderweg führt uns die letzen 500 Meter hoch zur Bellingstua. Lustig ist, dass es hier ein Schild gibt, das besagt, dass es zur Ferslia Hütte ganze 34 Kilometer geht. Die Norweger waren sich wohl nicht so einig. Unser Garmin gibt für den heutigen Tag am Ende 28 Kilometer an, also war Gaia für einmal am genausten ;-).
Als wir uns der Hütte nähern, sehen wir Rauch aufsteigen. Wir sind also nicht allein. Wir werden von Bjørn und Lotta in Empfang genommen. Die beiden äusserst sympathischen Schweden sind südwärts unterwegs. Letztes Jahr sind sie das Gröna Bandet gelaufen, eine 1'300 Kilometer lange Fernwanderung in Schweden. Wir verbringen den Abend mit fachsimpeln und Erfahrungsaustausch. Es ist schön, das Tourleben.
70 Tage… ist das nicht der Wahnsinn?!
Ich freue mich immer wieder, eure erfrischenden Berichte zu lesen. Aber noch mehr würde ich mich freuen, wenn wir uns nochmal unterwegs über der Weg laufen würden 😉
Ihr macht das toll!
God Tur durchs Blåfjell und ganz liebe Grüße aus (kurz vor) Limingen ✌🏼🤗