Tag 63, 18.07.23
Flexibel bleiben

Mel:
Heute wollen wir mal früher loslaufen. Die Wettervorhersage sagt, dass es wohl am Morgen nicht regnen wird, am Nachmittag soll sich das dann aber ändern.
Also schliessen wir die Tür zur Kjøllihytta um 7.30 ab und beginnen unseren Wandertag. Es hat die gesamte Nacht geregnet, entsprechend ist der Boden nicht nur feucht, sondern steht ganze Wegabschnitte unter Wasser. Wir ziehen gar das erste mal auf der Tour zum starten sowohl Fliess- und Regenjacke mit Handschuhen und Kappe an. Es ist eiskalt. Der angedachte Weg ist hier zu Beginn trotz Überschwemmung noch gut auszumachen. Und dann kommt unsere erste Renntierzaun-Überquerung. Irgendwie macht es echt Spass, obwohl es mit Rucksack und einer nassen Holzleiter etwas Konzentration kostet.
Bald soll der geplante Weg links abzweigen und an einen Bach entlang führen, bis er nach wenigen Kilometern an eine befestigte Strasse führt. Die wirklichen Wege sind hier jedoch nicht wirklich zu erkennen, da die Besitzer der Rentiere hier mit Quad und Motocross-Motorrad die Renntiere zusammentreiben. Als wir auf die Höhe kommen auf welcher der Wanderweg abzweigen sollte, sehe ich schnell ein grosses Problem vor uns stehen. Wie zur Hölle kommen wir ohne so eine praktische Leiter wieder über den Zaun? Da ich weit und breit keinen Übergang entdecke, laufe ich erst noch etwas dem Zaun entlang. Doch nichts ist zu entdecken. Ich gehe gar soweit, das ich teste, ob der frauhohe Zaun sich überklettern lässt. Dies geht mir dann aber doch einen Schritt zu weit. Dazu kommt, dass auf der anderen Seite der potentielle Weg nicht wirklich zu erkennen ist und der Bach muss sicher durchwatet werden. Was also machen? Am Rentierzaun entlang laufen und hoffen, dass irgendwann ein Übergang kommt? Nein. Auf der Karte entdeckt Anja eine Alternative. Der ursprüngliche Wanderweg führt nach sechs Kilometern auf eine befestigte Strasse, der wir dann weiter folgen können. Leider beinhaltet diese Strecke auch Asphaltstrasse und ist einiges länger… Egal, lieber einen sichtbaren Weg und keine Furt, die potentiell hüfthoch ist. Zudem haben wir aufgrund des früheren Startes mehr Zeit.
Also gehen wie weiter. Wir sind erfreut, denn je länger wir gehen, umso blauer wird der Himmel. Die Umgebung ist fantastisch und wir können uns kaum sattsehen.
Nach Erreichen der Strasse laufen wir Kilometer um Kilometer ab. Die Strecke ist nicht besonders erwähnenswert. Im Fjell hatten wir keine Pause gemacht, also wählen wir einen kleinen Kiesplatz aus, um unsere Füsse etwas zu entlasten. Mittlerweile beginnt das Wetter sich zu ändern. So kommt es, dass wir kaum hingesessen, von einem Sommerregen aufgescheucht werden. Also doch keine Pause. Von da an wechseln sich Sonne und Regen ab.
Also wir dann in das Dorf Ås laufen, sind wir doch etwas müde. Wir sind bereits über 27 Kilometer gelaufen und noch keine richtige Pause gemacht. Also freuen wir uns auf das Kaffee mitten im langgezogenen Dorf. Dieses soll uns auch den dringend benötigen Strom liefern. Um viertelvor Vier laufen wir in das Kaffee. Die sympathische Besitzerin Ann-Berit begrüsst uns lieb und sagt gleich, dass sie ausgerechnet heute um Vier schliesst. Ohje, dann doch kein Strom, aber ein Kaffee? Es gibt sogar noch mehr, sie macht uns zwei köstliche Foccatias.
Es ist bereits nach Vier, als wir ins Gespräch kommen. Sie fragt uns, was wir machen. Also erzählen wir von unserem Pech, dass beide Möglichkeiten im Dorf eine Übernachtung zu buchen ausgebucht sind. Also würden wir unser Zelt im Wald aufstellen und hoffen, dass der Regen nicht so stark ist wie angesagt. Da läuft sie von uns weg und sagt: „Ich habe eine Idee.“
Es stellt sich heraus, dass ihr nicht nur das Kaffee, sondern auch ein kleiner Campingplatz mit zwei Cabins gehört. Schnell ist festgestellt, das eines dieser Cabins frei ist. Sie wird uns daher zu ihrer Mutter mitnehmen, die den Schlüssel des Cabins bei sich hat und von da wird uns ein Taxi zum höher gelegenen Campingplatz bringen. Was für ein Glück!
Sie möchte mit uns noch die Karte anschauen. So erfahren wir gleich, dass unser angedachter Weg so nicht geht. Eine Brücke soll wohl beschädigt und einige Kilometer verschoben neu aufgebaut worden sein. Diese Info nehmen wir in die heutige Diskussion über die weitere Route.
Sie sagt, dass ihre Schwester auch mal wandern wollte, dass ging wohl nicht so lange… Sie mussten sie mit dem Auto wieder abholen :-). Seither sei sie nie mehr wandern gewesen.
Wir staunen nicht schlecht, für 700 Norwegische Kronen haben wir ein eigenes Cabin, mit bezogener Bettwäsche, Duschtücher stehen zu Verfügung und es gibt eine warme Dusche und eine richtige Toilette. Es geht uns mal wieder gut!

Mit dem Taxifahrer organisieren wir gleich unsere Rückreise am nächsten Morgen. Schliesslich müssen wir die Strecke, die wir heute mit dem Auto zum Camping gefahren wurden morgen laufen. Das hört sich für Aussenstehende wohl etwas verrückt an, denn der Taxifahrer schüttelt nur verwirrt und etwas verständnislos den Kopf als wir ihm erzählen warum wir wieder zum Café zurück müssen, obwohl unsere Wanderung in der Nähe des Campings vorbeiläuft.
Naja, wir sind wohl etwas verrückt, Haha.
Ein Telefonat mit Martin Kettler bringt uns die Bestätigung für unser Routenproblem auf der eigentlich geplanten Route. Zusammen diskutieren wir die weiteren Möglichkeiten und entscheiden uns schliesslich über Schweden zu laufen. Dies bedeutet, dass wir zur Blåhammaren Fjällstation laufen und von da nach Storlien. Dies ist für uns besonders, da wir in umgekehrter Richtung vor Jahren unsere südliche Kungsleden Wanderung begonnen hatten.
Ihr seid ja zwei verrückte Hühner mit Glück und Pech zugleich im Gepäck!
Nehmts mir nicht übel, aber so lustig beginnt bei mir nicht jeder Tag🤣.
Hebet eu sorg und weiter so mit etwas mehr Sonnenschein✊.
Viel Usdur und liebi Grüess vom Iberg