Travis, Anja & Mel Schwendemann & Schönbächler
Tag 24, 09.06.23
Erdbeeren aus Bergün
Anja:
Nach dem strengen Tag gestern, den wir mit einem Real Turmat im Hotelzimmer abgeschlossen haben (im stilvollen Rahmen zu schöner Klaviermusik aus dem Speisesaal genossen), freue ich mich heute aufs Frühstücksbuffet. Und ich werde nicht enttäuscht. Es gibt alles, was das Wandererherz begehrt. Von Rührei und heissen Bohnen über Fleisch, Käse, Brot bis hin zu Melonen und Süssgebäck ist alles da. Mel und ich lassen es uns gut gehen und denken mit einem Anflug von schlechtem Gewissen an Travis, der im Hotelzimmer wartet.
Zurück im Zimmer packen wir unsere Siebensachen zusammen und machen uns auf den Weg. Es liegen 22 km bis Rjukan vor uns - und dann gibts einen Ruhetag! Kaum haben wir die ersten Meter zurückgelegt, hält ein Wagen neben uns. Ob wir die beiden NPL-Läuferinnen aus der Schweiz seien? Wir nicken überrascht. Wie sich herausstellt, stehen wir zwei Herren vom Hardangervidda Besucherzentrum gegenüber. Daina, die vorgestern hier war, hat uns angekündigt. Auf die Frage, ob wir die Ausstellung besuchen möchten, antworten wir mit einem freudigen "ja gern"! Offiziell öffnet das Zentrum erst später, aber für NPL-Läufer machen sie eine Ausnahme. Und nicht nur das... Wir dürfen uns die Ausstellung kostenlos ansehen und gratis Kaffee gibts noch dazu. Welch ein Service!
Also drehen wir auf dem Absatz um und gehen die kurze Strecke zurück ins Besucherzentrum. Falls Travis überrascht ist vom abprubten Kurswechsel, lässt er sich nichts anmerken (ganz Profi!). Während er auf der Terrasse ein Nickerchen einlegt, besuchen wir die äusserst sehenswerte Ausstellung und sind von der 360-Grad Virtual Reality Tour durch die Hardangervidda komplett fasziniert.
Anschliessend sprechen wir noch lange mit den ebenso liebenswürdigen wie interessanten Mitarbeitern des Zentrums. Falls ihr mal in der Nähe seid: plant hier unbedingt einen Besuch ein! Es lohnt sich: https://www.hardangerviddanasjonalparksenter.no/
Noch ganz erfüllt von diesem grossartigen Ausflug machen wir uns abermals auf den Weg. Zuerst ein Stück der Strasse entlang, dann auf Nebenwegen. Wie schon in den letzten Tagen geniessen wir die wunderschöne Landschaft.
Es ist bereits späterer Nachmittag, als Mel sich plötzlich zu mir umdreht und die ominösen Worte spricht: "Anja, erstens: Entschuldigung, zweitens: Bitte, und drittens: Danke." Ich sehe sie irritiert an und frage mich, was um Himmelswillen sie meinen könnte. Sie dreht sich aber bereits wieder um und geht weiter. Ich folge ihr und sinniere über die seltsame Ansage nach.
Knapp 5 min später steigt mir ein köstlicher Erdbeerduft in die Nase. Und tatsächlich! Am Wegesrand steht eine Schale frischer Erdbeeren und ein handgeschriebener Zettel verkündet: "Erdbeeren frisch aus Bergün!" Ich runzle die Stirn... Die Handschrift gehört meinem Freund, Martin. Und er ist aktuell gerade im Bündnerland unterwegs, weil er Ferien hat... Mein Kopf zählt eins und eins zusammen und meldet dann "Error". Ist Martin hier?! Aber das ist unmöglich! Ungläubig schaue ich zu Mel. Ist Martin hier? Sie grinst mich an und dann höre ich eine wohlvertraute Stimme. Martin tritt hinter einem grossen Stein hervor. Ich schlage die Hand vor den Mund und starre ihn an. Und dann bricht ein kleines emotionales Chaos in mir aus. Ich lache und weine gleichzeitig und werfe mich meinem Liebsten in die Arme.
Nachdem ich mich einigermassen gesammelt habe, nimmt Martin galant meinen Rucksack und zu Dritt legen wir die restliche Strecke nach Rjukan zurück. Es gibt viel zu erzählen und zu lachen. Die beiden haben die Überraschung hinter meinem Rücken geplant und zwei Wochen lang so erfolgreich und gekonnt geflunkert, dass ich keinerlei Verdacht geschöpft hatte. Immer wieder schüttle ich ungläubig den Kopf. Die allerschönste Überraschung, die es gibt!
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