Travis, Anja & Mel Schwendemann & Schönbächler
Tag 134, 27.09.23
Kultur
Mel:
Der Wind hat heute Nacht kräftig am Zelt gezerrt. Anja und ich wissen aber mittlerweile, wie das Zelt auch windfest aufgestellt wird, so dass ich zu keinem Zeitpunkt Bedenken hatte. Der kräftige Wind dient heute auch gleich als Trocknungsmittel, denn das Zelt ist beim Aufwachen total trocken. Normalerweise wäre am Morgen sicher etwas Morgentau und Kondenswasser auf dem Zeltdach.
Doch was hör ich denn da? Ein Glöckchen! Nein das ist nicht etwa der Weihnachtsmann, sondern einige Rentiere, die unmittelbar in der Zeltumgebung nach Nahrung suchen.
Die 26 Kilometer lange Strecke heute ist nicht besonders erwähnenswert. Die Forststrasse schlängelt sich mit ewigen kleineren Auf- und Abstiegen durch die Landschaft. Die Seen mitten auf der „Strasse“ sind auch heute eine Herausforderung, die wir gut zu meistern wissen.
Da die Umgebung sich nur bedingt verändert und daher keine grosse Abwechslung mit sich bringt, denke ich viel über meine Beobachtungen der letzten Tage nach.
Seit Kautokeino ist die Sami-Kultur vermehrt spür- und beobachtbar. Die zwei tragenden Gefühle, wenn ich an die Sami denke, sind Trauer und Faszination. Wie kommt es dazu? Nun, die Kultur der Sami wurde anscheinend ähnlich die der Indianer in Amerika von den Norwegern unterdrückt. Den Sami wurde die eigene Sprache verboten und ihre Kinder wurden gezwungen, in norwegische Schulen zu gehen. Mir war das so nicht bewusst gewesen vor dieser Reise. Viele Sami scheinen ein Alkoholproblem zu haben, was stark mit den Lebensumständen verknüpft ist. In Kautokeino konnten wir dies hautnah beobachten. Die Selbstmordrate scheint auch höher zu sein. Wenn man durch die Samisiedlungen läuft, lässt sich oft der Eindruck nicht verhindern, dass der Umwelt nicht Sorge getragen wird. Vieles ist verfallen, Abfall liegt überall und gebrauchte Ölfässer sind einfach in der Natur entsorgt. Der betrunkene Sami in Kautokeino sagte uns, seine Leute würden mit der Natur leben, aber ganz ehrlich, das sehe ich so nicht.
Dies alles stimmt mich sehr traurig, wie so ein Urvolk offensichtlich den Halt verloren hat. Die Geschichte hat ihren Tribut gezollt.
Bitte nicht falsch verstehen, es gibt immer auch die Ausnahmen und das Bild was ich hier am häufigsten sehe, trifft keinesfalls auf alle zu. So laufen wir auch an „gepflegten“ Wohnwagensiedlungen vorbei und nicht jeder Sami hat ein Alkoholproblem.
Die Faszination bringt die Kultur an sich mit. Ein Urvolk, das noch heute Traditionen lebt und mit diesen wunderbaren Geschöpfen (Rentiere) arbeitet. Jedesmal wenn wir einen Sami treffen, könnte ich mich stundenlang mit diesem unterhalten und ihn mit Fragen löchern.
Am Nachmittag laufen wir in das kleine Dorf ein, das die Fjellstue Suolovuopmi umgibt. Mir kommen kläffende Hunde entgegen und auch hier zeigt sich das typische Bild der letzten Tage. Ein Mischmasch aus schönen, gepflegten Häusern und heruntergekommene Baracken, gespickt mit Abfall-„Sammelstellen“.
Heute schlafen wir in einer Hütte, die wir zu dritt mieten. Dies ist mir sehr willkommen, da ich mich seit zwei Tagen mit einer Erkältung herumschlage.
Zum Abendessen leisten wir uns alle eine Rentier-Mahlzeit. Himmlisch!
Das Esszimmer der Fjellstue beherbergt ganz viele Sami Relikte und Bilder aus alten Zeiten. Was es hier nicht alles zu entdecken gibt.
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