Tag 130, 23.09.23
Vollgas in die falsche Richtung
Anja:
Nach unserer gestrigen Entscheidung ist der Weg klar: wir werden heute und morgen in die falsche Richtung laufen. Statt weiterhin nordwärts zu streben, schlagen wir für die nächsten 66 Kilometer einen südöstlichen Kurs ein. Dieser führt uns nach Kautokeino, von wo aus es anschliessend wieder nordwärts weitergeht.
Ich bin erleichtert und zufrieden mit unserer Entscheidung. Dennoch ist es für das Gefühl natürlich etwas unschön, zwei Tage in die falsche Richtung zu gehen. Und es sind zwei lange Tage… Heute warten 28 Kilometer auf dem Nordkalottleden auf uns, morgen dann 38 Kilometer auf der Strasse.
Bei bewölktem Himmel sind wir um 07.45 Uhr startklar. Der Weg führt uns zuerst entlang des Flusses und dann stetig bergauf in ein karges, schönes Fjell. Anders als gestern liegt hier kein Schnee (mehr), so dass wir gefühlt in den Herbst zurückgewandert sind. Auch die Temperaturen sind merklich höher als in den letzten Tagen. Bereits nach den ersten Kilometern sind wir alle schweissnass. Die Thermoswäsche ist heute definitiv zu viel des Guten.
Der Morgen ist trüb und streckenweise nass, so dass unsere Pausen eher kurz ausfallen. Gegen 13.00 Uhr, nachdem mehr als die Hälfte der Strecke hinter uns liegt, ist es Zeit für eine längere Mittagspause. Wir stellen unser Zelt auf, um etwas Schutz vor Wind und Regen zu haben. Und dann wird gegessen! Ich bin heute hungriger als üblich und gönne mir schon am Mittag eine Portion Pasta mit Käse und Broccoli. Das hilft eigentlich in allen Lebenslagen.
Als wir nach einer Stunde wieder aus dem Zelt kriechen, haben sich die Wolken teilweise verzogen und geben den Blick auf blauen Himmel frei. Das gefällt uns schon besser. Unterstützt von Musik und Hörbüchern nehmen wir die verbleibenden 12 Kilometer in Angriff. Abgesehen von 3 spannenden Flussquerungen bietet der Tag wenig Aufregung.
Die Begegnung mit einem äusserst freundlichen Sami, der hier in der Region Tausende von Rentieren hält, ist ein Highlight kurz vor Erreichen unseres Tagesziels. Wir übernachten in der feudalen Reisavannhüte. Hier gibt es Strom und ein unfassbar bequemes Sofa, auf dem sich der Blogbeitrag fast von selbst schreibt. Gegen 21.30 Uhr ist aber auch bei mir Schluss. Meine beiden Wanderpartnerinnen sind bereits im Bett und morgen um 05.00 Uhr klingelt der Wecker. Auch wenn es mit der Schönheit auf Tour nicht so weit her ist: ein bisschen Schönheitsschlaf muss dann doch sein…
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