Tag 110, 03.09.23
Blaubeeren und rüstige Rentner
Anja:
Der Morgen ist kühl auf knapp 1000 müM. Deswegen starten wir gut eingepackt auf die heutige kurze Etappe nach Cunojávri. Wir wechseln noch ein paar Worte mit dem norwegischen Paar, welches die Nacht in einer der anderen beiden Hütten verbracht hat. Als wir uns bereits verabschiedet haben und auf dem Weg sind, hören wir plötzlich Rufe hinter uns. Die Frau rennt uns hinterher und winkt mit etwas, das verdächtig nach einer Tüte Chips aussieht. Und tatsächlich! Wie sie uns mit einem fröhlichen Lächeln sagt, haben sie zu viele Snacks eingepackt. Sie schenken uns diese Tüte. Wir bedanken uns freudestrahlend - welch ein Glück für hungrige Fernwanderer!
Unterwegs weiss ich nicht, worüber ich mich am meisten freuen soll: den guten Wanderweg, das brillante Wetter oder die wunderschöne Landschaft.
Entlang des Pfades entdecken wir immer wieder reife Blaubeeren. Die Hänge sind voll davon! Damit wir nicht alle paar Minuten stehen bleiben um von den leckeren Beeren zu naschen, beschliessen wir, in der nächsten Pause eine offizielle Sammelaktion zu starten. Wir waten noch durch einen Fluss, gönnen uns etwas Ruhe und dann geht’s los! Innert Kürze haben wir so viele Beeren beisammen, dass der Sammelbehälter (eine PET-Flasche) förmlich überquillt.
Mit vollem Blaubeervorrat gehen wir einige Kilometer weglos weiter, bis wir wieder auf den Wanderweg treffen. Von hier ist es nicht mehr weit bis zur Hütte. Die vormals abenteuerliche Flussüberquerung über eine kaputte Holzbrücke gestaltet sich unerwartet einfach. In den letzten Wochen wurde die defekte Brücke durch eine stabile Stahlbrücke ersetzt. So kommen wir bequem auf die andere Seite des grossen Flusses.
Bei den Hütten angekommen, freuen wir uns sehr, dass die kleinere der beiden Hütten noch komplett frei ist. Diese ist noch ziemlich neu und urgemütlich. Wir richten uns häuslich ein und überwinden uns anschliessend zu einem erfrischenden Halbbad im See (na gut, genau genommen war es wohl eher eine Katzenwäsche…).
Zurück in der Hütte erhalten wir Zuwachs. Niklas, ein blonder Bilderbuch-Schwede, bezieht das letzte freie Schlafzimmer. Als es kurz darauf wieder an die Tür klopft, müssen wir dem rüstigen Rentner mitteilen, dass alle Zimmer belegt sind. Er zieht wieder von dannen, um in der älteren und grösseren Hütte einen Platz für sich und seine Frau zu suchen. Da es in der grösseren Hütte keine Möglichkeit gibt, das Handy zu laden, hängt er das Gerät in unserer Hütte an die Ladestation.
Im späteren Abend besucht er uns gemeinsam mit seiner Frau. Wie wir erfahren, sind die beiden drahtigen Frohnaturen 68 Jahre jung und auf dem Nordkalottleden unterwegs. Ein Fernwanderweg, der über 800 km umfasst. Um die Sache etwas spannender zu machen, sind sie allerdings am Nordkap statt in Kilpisjärvi gestartet. Das verlängert die Tour um rund 240 km. Aufgrund der sehr beschränkten Einkaufsmöglichkeiten und des nahenden Winters haben sie viel Gepäck dabei. Er trägt beeindruckende 29 Kilo und bei ihr sind es nicht minder eindrucksvolle 19 Kilo. Eine starke Leistung!
Die beiden quirligen Süddeutschen waren schon häufig unterwegs und wissen wunderbare Geschichten von Begegnungen mit wilden Stieren, Wildschweinen und verblendeten Ultralight Wanderern zu erzählen. Die Lebensfreude und der Schalk, mit welchem sie aus ihrem Tourleben berichten, ist ansteckend. Die beiden wachsen uns innert Kürze ans Herz. Wer in diesem Alter noch so fit und jugendlich ist, hat alles richtig gemacht. Rainer und Claudia, ihr seid einsame Spitze!
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